Aktuelle Fragen zum türkischen Erbrecht
Was ist ein Erbschein?
Der Erbschein ist eine öffentliche Urkunde, auf dem die rechtlich bestimmten Erben und ihre Erbanteile stehen. In der Türkei kann man den Erbschein beim Amtsgericht oder beim Notar beantragen. Ausländische Staatsangehörige dürfen den Erbschein nicht beim Notar beantragen. Ohne Erbschein kann die Aufteilung des Nachlasses nicht vorgenommen werden.
Wie ist die gesetzliche Erbfolge nach türkischem Erbrecht?
Im türkischen Erbrecht werden die Verwandten des Erblassers in drei gesetzlichen Erbenordnungen eingeteilt. Die erste Ordnung bilden die Abkömmlinge des Erblassers (sämtliche vom Erblasser abstammende Personen, also Kinder und adoptierte Kinder, Enkel- und Urenkelkinder). Die zweite Ordnung bilden die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Neffe, Nichte, Großneffe, Großnichte usw.). Die dritte Ordnung bilden die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Großvater, Großmutter, Onkel, Tante, Cousin, Cousine usw.)
Sollte der Verstorbene keinen Erben hinterlassen haben, geht der Nachlass auf den Staat über.
Der Ehegatte ist auch gesetzlicher Erbe neben jeder Ordnung mit unterschiedlichen Erbanteilen.
Vorweggenommene Erbfolge nach türkischem Erbrecht
Die vorweggenommene Erbfolge kommt gegen die im Ausland lebenden Personen, gegen Töchter oder bei einer zweiten Ehe, gegen oder für die Kinder aus der ersten Ehe zum Zuge. Der Erblasser überträgt sein Vermögen zu Lebzeiten auf die gewünschte Erben oder Personen, um meistens den Erbanteil der Pflichtteilberechtigten zu reduzieren oder zu vernichten. Das Ziel kann lediglich sein, den Nachlass entsprechend wesentlich zu reduzieren. Meistens behält der Erblasser als Schenker oder Verkäufer einen Nießbrauch oder ein Wohnrecht bei sich.
Erben oder Pflichtteilberechtigte, die mit diesem Problem konfrontiert sind, können Pflichtteilsergänzungsansprüche stellen oder ausgleichungspflichtige Zuwendungen beanspruchen. Für diese Klageerhebung ist keine gesetzliche Frist vorgesehen, da diese als schlechtgläubige Übertragungen angesehen werden.
Was ist der Pflichtteil nach türkischem Erbrecht?
Wer von der Erbfolge ausgeschlossen ist, dem steht die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils nach türkischem Recht zu. Das Gesetz sieht vor, dass der Erblasser seinen Nachlass jemandem seiner Wahl überlässt. Der Erblasser kann hierbei die Pflichteile der Erben nicht benachteiligen. Anders gesagt, unabhängig vom Testament haben die Erben bestimmte Ansprüche auf den Nachlass. Die Pflichtteilsansprüche verjähren in einer Frist von einem Jahr, das auf den Todesfall folgt und nachdem der Pflichtteilsberechtigte von der Verfügung Todes wegen erfahren hat.
Die Aufteilung des Erbes in den Lebzeiten des Erblassers
Der Erblasser kann zu Lebzeiten über sein Erbe verfügen, z.B. ein Testament hinterlassen oder einen Erbvertrag abschließen. Sofern die Pflichtteile der Erben berücksichtigt wurden, kann wegen der Aufteilung keine Ausgleichs- oder Herabsetzungsklage eingereicht werden. In der Türkei kommt es häufig dazu, dass Grundstücke, die zum Nachlass gehören könnten an Söhne „verkauft“ und diese dann im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden. Aufgrund dieses Scheingeschäfts haben benachteiligte Erben die Möglichkeit der Erhebung einer Aufhebungs- oder Herabsetzungsklage. Nach dem türk. Erbrecht ist bezüglich der Erben eine Differenzierung nach dem Geschlecht nicht vorgesehen, d.h. männliche und weibliche Erben sind gleichgestellt. Kauf- und Schenkungen, die gegen Gesetzesvorschriften verstoßen, können gerichtlich angefochten werden.
Allgemeine Vorgehensweise bei der Abwicklung des Nachlasses in der Türkei
Bei der Abwicklung des Nachlasses in der Türkei muss zunächst ein Erbschein beantragt werden. Sind alle Erben türkische Staatsangehörige, kann der Erbschein beim Amtsgericht oder Notar beantragt werden. Wenn mindestens einer der Erben ausländischer Staatsangehöriger ist, dann muss der Erbschein gerichtlich mit Nachweisen beantragt werden.
Ist der Erbschein ausgestellt, müssen die Erben den Nachlass prüfen und dementsprechend die Erbschaftsteuer beim Finanzamt, der sich im Sprengel des letzten Wohnsitz des Erblassers befindet, erklären und die Steuern begleichen. Vor diesem Schritt müssen für die Grundstücke die fälligen Grundsteuerschulden bezahlt werden. Nach Erhalt der Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom Finanzamt kann mit der Aufteilung des Nachlasses begonnen werden: unter anderem können Grundstücke übertragen und dann verkauft werden, die Konten und Safes können aufgelöst werden, Pkws können übertragen werden. Bei der Aufteilung müssen alle Erben gemeinsam handeln. Ansonsten wäre bei der Aufteilung ein Erbe beschränkt und müsste alles als Erbengemeinschaft durchgeführt werden. Auch bei der Veräußerung von Grundstücken muss sonst einer der Erben die Versteigerungsklage einreichen, durch welche alle Erben benachteiligt werden.
Ist ein Testament vorhanden, muss dieses zunächst gerichtlich eröffnet werden; dementsprechend wird dann ein Erbschein ausgestellt. Es kann dann noch eine Testamentsvollstreckungsklage nötig sein. Der Pflichtteilberechtigte kann hier dagegen eine Herabsetzungsklage einreichen, wenn seine Rechte durch das Testament reduziert worden sind.
Innerhalb welchen Zeitraums kann in der türkischen Rechtsordnung ein Erbe ausgeschlagen werden?
Es kann auch zu einer Erbausschlagung nach türkischem Recht kommen. Hierzu haben die Erben eine gesetzliche Frist von drei Monaten ab dem Tod des Erblassers. Die Erben, die in der Türkei das Erbe ausschlagen möchten, müssen zunächst dem Gericht einen türkischen Erbschein vorlegen, um zu beweisen, dass sie tatsächlich Erben sind. Nach der Ausschlagung wird der vorhandene Erbschein berichtigt. Unter bestimmten Bedingungen kann diese Frist von drei Monaten auf sechs Monate verlängert werden.
Wie können die Bankkonten des Verstorbenen geschlossen werden und wie können die Erben das Geld von der Bank abheben?
- Die Erben müssen eine Erbschaftsbescheinigung erhalten, die nachweist, dass sie die Erben sind.
- Ein offizielles Schreiben, das den Betrag auf den Konten zum Todeszeitpunkt anzeigt, sollte von den Banken, bei denen der Verstorbene ein Konto hatte, für das Finanzamt eingeholt werden.
- Der Betrag auf den Konten zum Todeszeitpunkt sollte über eine Erbschafts- und Übertragungserklärung dem Finanzamt gemeldet werden, und das Finanzamt sollte die Erbschaftssteuer erheben.
- Nachdem die Erbschaftssteuer bezahlt wurde, sollte das Finanzamt ein offizielles Schreiben an die Banken richten, in dem steht, dass das Erbschaftsverhältnis des Verstorbenen beendet wurde.
- Alle Erben sollten gemeinsam zur Bank gehen, um das Geld auf den Bankkonten abzuheben, oder sie sollten von bevollmächtigten Vertretern begleitet werden. Wenn nicht alle Erben zur Bank gehen können und nicht alle Erben vertreten werden können, muss ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden, um das Gemeinschaftseigentum in Bruchteilseigentum umzuwandeln.
Nachdem diese Bedingungen erfüllt sind, können mit der Erbschaftsbescheinigung, dem Dokument, das besagt, dass das Erbschaftsverhältnis beendet wurde, und den Ausweisen der Erben, das verbleibende Geld auf den Bankkonten abgehoben und die Konten geschlossen werden.
Wie können Sie Koca & Ersöz mit der Rechtsvertretung beauftragen?
Prinzipiell muss vor der Aufnahme einer anwaltlichen Tätigkeit eine notarielle Bevollmächtigung (beim türkischen Konsulat oder bei einem deutschen Notar mit Apostille) erfolgen. Die Mustervollmacht erhalten Sie von uns persönlich.
Ich habe eine Rechtsschutzversicherung. Wie verhält es sich damit?
Hier bedarf es zunächst für die Beratung keiner Bevollmächtigung. Für die gerichtliche Vertretung aber schon! Übergeben Sie uns eine Kopie Ihres Versicherungsscheins oder setzen Sie sich selber mit Ihrer Rechtsschutzversicherung in Verbindung, um eine Kostendeckungszusage einzuholen. Diese wird in aller Regel erteilt, sofern kein vertragsmäßiger Ausschluss Ihrer Rechtsstreitigkeit vorliegt.
Sie können unverbindlich das Formular auf unserer Website ausfüllen, um uns Ihre Anfragen mitzuteilen, oder uns anrufen.
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